
Nach Buchpreisverleihungen sehe ich mir gerne auch die Shortlists an mit den Autoren und Texten, die es eben mal so nicht geschafft haben. In diesem Jahr sprang mir dabei der Roman Indigo von Clemens Johann Setz ins Auge. Zum einen faszinierte mich seine ungewöhnlich aufwändige Aufmachung, von der noch zu sprechen sein wird. Zum anderen rief der Romantitel Erinnerungen an Zeiten der Neunzigerjahren in mir wach, in denen ich mich begeistert über den abgehobenen Esoterik-Hype um die Kinder mit der blauen Aura, die sogenannten Indigo-Kinder, amüsierte. Diese Idee, verhaltensauffällige Kinder als den „neuen Menschenschlag“ zu feiern, womöglich sogar als Außerirdische, ließ mich vor Freude über den menschlichen Erfindungsreichtum jubilieren.
Sagte ich schon, dass ich eine geheime Schwäche für wissenschaftlich unhaltbare, aber mit missionarischem Eifer vorgetragene Theorien habe? Über die wahnwitzigen Statements der Kreationisten etwa gerate ich immer wieder in Verzückung. Es bedarf sicher ungeheuer viel Enthusiasmus‘ und Erfindungsreichtums, um solchen Irrsinn mit echter Überzeugung zu vertreten. Aber ich schweife ab. – Clemens Setz, Träger des Georg-Büchner-Preises 2021 und Autor von Indigo, ist nach eigenen Angaben¹ fasziniert von Verschwörungserzählungen. Doch er zieht deutlich Grenzen in seiner persönlichen Realitätsvorstellung.
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