Dublin Literary Award 2023

Katja Oskamp; Marzahn, Mon Amour, 2021
Katja Oskamp, 2019

Seit 1996 wird alljährlich in Dublin der internationale Dublin Literary Award verliehen. Der Preis ist mit 100.000 Euro dotiert und damit – zumindest meines Wissens – direkt nach dem Nobelpreis für Literatur der weltweit finanziell am zweithöchsten ausgestattete Literaturpreis. Für die Nominierung der Kandidaten sind eine Reihe öffentlicher Bibliotheken verantwortlich, 2023 waren es 81 Bibliotheken aus 31 Ländern. Formale Voraussetzung für eine Nominierung: Belletristik, „hoher literarischer Anspruch“ und zumindest in Übersetzung ins Englische veröffentlicht. Dieses Jahr im Mai ging der Preis an Marzahn, mon amour, Geschichten einer Fußpflegerin von Katja Oskamp (53).

Die Autorin stammt aus Leipzig, hat erst Theaterwissenschaft und später Schriftstellerei studiert. Ihre Debuterzählung mit dem Titel Halbschwimmer erschien vor zwanzig Jahren, beschreibt eine Jugend in der DDR und wurde sehr positiv aufgenommen. Die beiden Folgeromane Die Staubfängerin (2007) und Hellerdorfer Perle (2010) kamen weniger gut an. So kam es, dass die Autorin seit 2015 als Fußpflegerin im Berliner Kosmetiksalon einer Bekannten arbeitet. In Marzahn, mon amour verarbeitet Oskamp die Erlebnisse ihrer neuen Profession: Ganz unten ist sie angekommen, bei den Füßen ihrer Kunden.

Dublin Literary Award 2023 – Über Marzahn, mon amour

„Mit der gleichen Sorgfalt, die Oskamp den Füßen zuteil werden lässt, kümmert sie sich um ihre schrundigen, lädierten Lebensläufe. Sie hat ein Auge für die kleinen und größeren Marotten, ein sicheres Gespür für situative Komik, vor allem aber hat sie ein großes Herz. Man ist immer wieder angerührt von der liebevollen, fast zärtlichen Anteilnahme, mit der sie ihrer zumeist alten, oft schon stark gehandicapten Stammkundschaft ein Denkmal setzt.“
(TAZ, Berlin außerhalb der Ringbahn, 2019)

„Jedes ihrer Kapitel widmet Oskamp einer anderen Person. Ihre Erzählungen sind kleine Milieustudien. Einzel-Porträts: wunderbar zart, humorvoll, liebevoll. In nicht wenigen Lebensgeschichten spiegelt sich auch die große Geschichte wider: der Zweite Weltkrieg, die DDR, die Wiedervereinigung. Doch bei Oskamp geht das Einzelschicksal immer vor der Historie. In keinem einzigen Moment verliert die Autorin den Respekt vor ihren Figuren.“
(Britta Röder, BookNerds, 2022)

„Ein Porträt […], das zeigt, wie der Einzelne unweigerlich von den sich ständig drehenden Rädchen der Geschichtsmaschine geformt wird. Leser, Sie haben noch nie ein Buch wie dieses gelesen; erwarten Sie, dass Sie in einem Moment laut lachen und im nächsten tief bewegt sein werden.“
(Aus der Begründung der Jury)

Marzahn, mon amour ist erst der zweite ursprünglich deutschsprachige Roman, der mit dem Dublin Literary Award ausgezeichnet wurde. Davor war es im Jahr 1998 der Roman Herztier der späteren Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller.

Nominiert wurde Oskamps Roman von der Stadtbücherei Düsseldorf. Wer sich auf mehr von Katja Oskamp freut, sollte vielleicht ihre Website im Blick behalten.

Katja Oskamp: Marzahn, mon amour
Carl Hanser Verlag, 2019

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