Backflash Zufallsrezension: Jeden Sonntag eine neu & zufällig ausgewählte Buchbesprechung aus der Vergangenheit — Gute Bücher altern nicht!
Auf der Su­che nach Lese­stoff? Hier fin­dest Du Buch­be­spre­chun­gen mit An­spruch aber oh­ne Al­lü­ren. Ich schrei­be meist über bel­le­tris­ti­sche Ti­tel; über sol­che, die mir ge­fal­len oder auch mal nicht ge­fal­len ha­ben; manch­mal Main­stream, manch­mal ab­seits der aus­ge­tre­te­nen Pfa­de. (Per­sön­li­che Emp­feh­lun­gen und ein paar Wor­te zu die­sem Pro­jekt gibt’s ganz un­ten auf die­ser Sei­te.)

Zähne und Klauen

T. C. Boyle, Zähne und Klauen, 2008
T. C. Boyle, 2008

Mit Zähne und Klauen liegt uns nun bereits der vierte Sammelband mit Kurzgeschichten des US-ame­ri­ka­ni­schen Romanciers T. C. Boyle vor, der ins Deutsche übersetzt wurde. Im englischen Original heißt der Band Tooth and Claw und erschien 2005, zwischen den beiden Romanen Dr. Sex und Talk Talk. Ist es überhaupt noch notwendig zu erklären, welches Thema die vierzehn Erzählungen dieser Sammlung gemeinsam haben? Denn eigentlich drehen sich Boyles meist skurrile Geschichten doch immer um das Gleiche: Seine Figuren befinden sich alle im Kampf mit der Natur; entweder mit der eigenen, oder aber mit irdischen oder gar kosmischen Naturkatastrophen. Und immer wieder begeistert uns der Autor mit seiner unvergleichlichen Fähigkeit, die unterschiedlichsten Charaktere diverser Epochen und Gesellschaftschichten in seine bizarren literarischen Versuchsanordnungen hineinzuwerfen und darin leiden zu lassen.

Der Titel des Bandes wurde sowohl in der englischen als auch in der deutschen Version vom Einzeltitel der zwölften Erzählung übernommen. Darin geht es um die Zähne und Klauen eines afrikanischen Servals, den ein junger Mann in seinem Schlafzimmer einquartiert, ohne daran zu denken, was eine solche Wildkatze in der häuslichen Umgebung von Menschen anzurichten im Stande ist. – Stirnrunzelnd fragst Du Dich, wie dumm man sein kann? Dann solltest Du unbedingt diese Geschichte und auch die anderen dreizehn selbst lesen, um festzustellen, wie viel Schlamassel man auf 370 Textseiten unterbringen kann.

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Schluss mit cool

T. C. Boyle, Schluss mit cool, 2002
T. C. Boyle, 2002

Schluss mit cool lautet der Titel einer Sammlung von Kurzgeschichten des US-Autoren T. C. Boyle. Es ist der dritte seiner Erzählbände, die nicht nur auf englisch, sondern auch auf deutsch erschienen sind. Die Veröffentlichung im englischen Original trägt übrigens den Titel After the plague. Sowohl beim Original, als auch bei der deutschen Übersetzung handelt es sich um die Einzeltitel zweier unterschiedlicher Geschichten aus dem Band. Zur zeitlichen Einordnung der Texte möchte ich anmerken, dass alle Erzählungen noch vor den gesellschaftlichen Zäsuren des Jahrtausendwechsels entstanden sein müssen. – Insbesondere bezieht sich also die letzte Kurzgeschichte der Sammlung mit dem Einzeltitel Nach der Pest keinesfalls retrospektiv auf die Corona-Pandemie, so wie ich das verschiedentlich gehört und gelesen habe, sondern ist allenfalls eine düstere Vorahnung mit einem Vorlauf von gut zwanzig Jahren.

Die institutionalisierte Literaturkritik war sich im Erscheinungsjahr des Erzählbandes nicht recht einig, ob sie die Sammlung nun als „systematische Studie von betörender Genauigkeit“ loben oder wegen der „wiederkehrenden Motive“, ihrer „plumpen, gezwungenen Konstruktionen“ und ihrer „seichten Aufbereitung“ tadeln sollten. Aber sehen wir doch einmal selbst, was uns Boyle da auf insgesamt 380 Textseiten auftischt. Durchgehendes Thema aller sechzehn Geschichten ist die „Katastrophe Mensch“.

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Piccola Sicilia

Daniel Speck, Piccola Sicilia, 2018
Daniel Speck, 2018

Im Alter von 49 Jahren hat der Münchener Autor Daniel Speck seinen zweiten Roman mit dem Titel Piccola Sicilia veröffentlicht. Namensgeber für die gut 650 Buchseiten lange Geschichte ist ein vorgelagertes Stadtviertel von Tunis, das meist nur La Petite Sicile oder Piccola Sicilia, also Klein-Sizilien genannte wurde. Denn das am Hafen der nordafrikanischen Großstadt gelegene Viertel hat eine lange süditalienische Tradition. Seine Bewohner stammten ursprünglich meist aus Sizilien, in den Straßen wurde vorwiegend italienisch gesprochen. Auch die bekannte italienische Filmdiva Claudia Cardinale (86) wurde in Tunis geboren, ihre Großmutter lebte in Piccola Sicilia. Und selbst Autor Speck hat tunesische Wurzeln. Denn sein Vater stammt aus dem afrikanischen Land, das keine 160 Kilometer Luftlinie von Sizilien entfernt ist. Heute findet man den Ort der Romangeschichte unter der Bezeichnung La Goulette als Vorort von Tunis mit Handelshafen und Kreuzfahrtterminal.

Die Kerngeschichte des Romans trägt sich Anfang der 1940er-Jahre zu: Der deutsche Wehrmachtssoldat Moritz Reincke begleitete damals in Nordafrika als Kriegsberichterstatter und Kameramann die Einheiten von Generalfeldmarschall Erwin Rommel, seinerzeit bekannt unter dem Spitznamen „Wüstenfuchs“. Deutsche Truppen hielten während des Afrikafeldzuges die Stadt Tunis zwischen November 1942 und Mai 1943 besetzt, bevor sie vor den Amerikanern kapitulieren mussten. Fast eine Viertelmillion deutscher Soldaten wurde gefangen genommen. Das Dritte Reich neigte sich seinem Ende entgegen.

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