Meine ganz persönlichen Lesempfehlungen
Auf der Su­che nach Lese­stoff? Hier fin­dest Du Buch­be­spre­chun­gen mit An­spruch aber oh­ne Al­lü­ren. Ich schrei­be meist über bel­le­tris­ti­sche Ti­tel; über sol­che, die mir ge­fal­len oder auch mal nicht ge­fal­len ha­ben; manch­mal Main­stream, manch­mal ab­seits der aus­ge­tre­te­nen Pfa­de. (Per­sön­li­che Emp­feh­lun­gen und ein paar Wor­te zu die­sem Pro­jekt gibt’s ganz un­ten auf die­ser Sei­te.)

World’s End

T. C. Boyle, World's End, 1989
T. C. Boyle, 1989

So mancher Literaturkritiker sieht in World’s End, T. C. Boyles drittem Roman, das Meisterstück des US-ame­ri­ka­ni­schen Schriftstellers. Im Jahr 1988 wurde der Autor dafür mit dem PEN/Faulkner Award ausgezeichnet, mit der einzigen international renommierten Auszeichnung, die je ein Boyle-Text erhalten hat. Im Klappentext des Romans ist ein Satz zu lesen, dem nicht viel hinzuzufügen ist: „Mit immenser Phantasie, Sinn für schwarzen Humor und Überwirkliches hat Boyle eine dunklere Lesart der Geschichte Amerikas geschrieben.“ Es geht um mehrere Generationen holländischer Siedler, um amerikanische Ureinwohner, um Hippies und um Rassismus. Eine aufregende, verrückte, ja schräge Mischung, die in wildem Wechsel zwischen historischen Epochen des 17. und 20. Jahrhunderts hin- und herspringt.

Wenn América – Boyles hervorragender, wütender Roman von 1995 über Einwanderer im heutigen Kalifornien – seine Früchte des Zorns ist, dann ist World’s End sein Jenseits von Eden.
(Tom Cox, The Guardian, 2012¹)

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Grün ist die Hoffnung

T. C. Boyle, Grün ist die Hoffnung, 1990
T. C. Boyle, 1990

Seinen zweiten Roman mit dem Titel Grün ist die Hoffnung hat T. C. Boyle drei Jahre nach seinem Erstling Wassermusik veröffentlicht. Im ersten Buch steckt immer die ganze Seele drin, heißt es. Das zweite Buch aber gilt als schwierig. Es ist Gradmesser dafür, ob aus dem Debütanten tatsächlich ein Schriftsteller wird, also jemand, der die Erwartungen nach dem Einstandswerk auch erfüllen kann. Nun wissen wir ja alle, dass es Boyle mit inzwischen neunzehn Romanen und einigen Erzählbänden zwischendurch längst geschafft hat. Trotzdem ist es spannend, das zweite Werk unvoreingenommen zu lesen. Vorweggenommen sei: Grün ist die Hoffnung ist völlig anders geraten als Wassermusik. Mit Biografie oder Abenteuern auf fremden Kontinenten hat die Geschichte nichts zu tun. Dafür aber legt sie den Grundstein für künftige boylesche Romanszenarien. Denn sie wirft die Figuren – wie in so vielen späteren Boyle-Romanen auch – in eine Konfrontation mit der Gewalt der Natur hinein und stellt menschliche Qualitäten in Frage. Außerdem trägt sie sich in dem US-Bun­des­staat zu, in dem der Autor selbst zu Hause ist.

Boyle schickt seinen Erzähler Felix Nasmyth von San Francisco gut zweihundert Kilometer in den Norden ins Mendocino County, in die Wildnis nördlich von Willits, einem Kaff in Nordkalifornien. Was treibt Felix in diese gottverlassene Gegend? Die Aussicht auf ein paar hunderttausend Dollar. Ein Frisco-Freund, der umtriebige Investor Herbert Vogelsang, hat dort nämlich abgelegenes Terrain aufgekauft und Felix davon überzeugt, in der einsamen Gegend eine Marihuanaplantage anzulegen. Nur für einen Sommer lang. Mit der Aussicht auf einen lukrativen Deal: 1,5 Millionen Dollar Ertrag, die sich der Geldgeber Vogelsang, Felix als Verantwortlicher vor Ort und Boyd Dowst, der botanische Ratgeber der Pflanzung, redlich teilen werden.

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América

T. C. Boyle, América, 1996
T. C. Boyle, 1996

The Tortilla Curtain lautet der englische Originaltitel des sechsten Romans von T. C. Boyle. Mit diesem „Tortillavorhang“ ist die durchlässige Grenze zwischen den USA und Mexiko gemeint, über die seit Jahrzehnten verzweifelte illegale Einwanderer in das wohlhabende Nachbarland im Norden strömen, um sich ihren Traum von der Beteiligung am US-ame­ri­ka­ni­schen Wohlstand zu erfüllen. In der deutschen Übersetzung erhielt die Geschichte den Titel América. Und in diesem Fall bin ich mir nicht sicher, welche Betitelung die bessere ist. Denn mit „América“ ist natürlich einerseits der Traum vom besseren Leben in Nordamerika gemeint. Aber gleichzeitig ist es auch der Vorname einer der vier Hauptpersonen der Romangeschichte. Boyles Erzählung handelt von zwei Paaren, einem bitterarmen mexikanischen und einem arrivierten nordamerikanischen, deren Wege das Schicksal aneinanderknüpft.

Eine trostlose, apokalyptische Geschichte legt uns der Autor vor. Doch auch wenn der Text inzwischen fast dreißig Jahre alt ist, hat er an Aktualität nichts eingebüßt. Noch immer existiert der Tortillavorhang, den der unsägliche Ex-Prä­si­dent Trump erst vor wenigen Jahren mit dem Bau einer Grenzmauer zu Mexiko schließen wollte. Und in Europa haben wir mit Asylsuchenden aus Nordafrika ein sehr ähnliches Problem zu bewältigen. Mit seiner Erzählung beweist Boyle, dass seine Themen, die er seit Jahrzehnten beackert, Dauerbrenner sind: Die Beziehung zwischen Mensch und Natur sowie zwischenmenschliche und gesellschaftliche Katastrophen waren, sind und bleiben aktuell.

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