Nur die Liebe bleibt

Nur die Liebe bleibt
Stefanie Zweig, 2006

Der Erfolg ihres Romandebuts Irgendwo in Afrika hat die Autorin Stefanie Zweig beflügelt. Die autobiografische Geschichte um die jüdische Familie Redlich, die sich der Verfolgung durch die Nationalsozialisten im deutschen Oberschlesien durch Auswandern nach Kenia im Jahr 1938 entzog, wurde verfilmt und 2003 sogar mit dem Osacar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Nach diesem Erfolg hatte die Autorin mit Irgendwo in Deutschland und Owuors Heimkehr bereits zwei Romane zum gleichen Thema nachgelegt. Nur die Liebe bleibt ist nun ihr dritter Folgeroman zur eigenen Lebensgeschichte.

Darin konzentriert sich Stefanie Zweig auf die Umstände und den Ablauf der Flucht. Familienvater Walter Redlich tritt diese mit einer Fahrt nach Genua und einer anschließenden Schiffsreise nach Kenia an. Seine Frau Jettel und die Tochter Regina – das Alter Ego von Frau Zweig – folgen ihm später über Hamburg und Mombasa. Der Aufenthalt in Afrika selbst spielt in diesem Roman eine untergeordnete Rolle. Die Geschichte endet schließlich mit dem Beginn der Rückreise nach Deutschland im Jahr 1947.

Nur die Liebe bleibt – Immer auf Achse: Die Redlichs fahren Bahn

Einen Großteil der Romanhandlung platziert Stefanie Zweig in Zugreisen. Diese Fahrten konstruiert sie nach einem stets gleich bleibenden Schema: Zu Beginn reist der verzweifelte Walter Redlich nach Genua – unverhofft begleitet von seinem Vertrauten Josef Greschek.
Ihre eigene Ausreise treten danach Jettel und Regina im Zug nach Hamburg an – gemeinsam mit der Mutter und Großmutter Ina. Diese Reiseetappe findet ihre Fortsetzung unter Auslassung der Schiffsfahrt im Zug von Mombasa nach Nairobi, in dem die beiden Red­lich-Frau­en erste Bekanntschaft mit Afrika machen. Personifiziert wird das fremde Land dabei durch den überaus freundlichen Abteilkellner.

Weitere Zugfahrten: Auf der Fahrt aus ihrem Internat nach Hause zur Farm in Ol‘ Joro Orok lernt Regina einen zwielichtigen weißen Geistlichen kennen. Ihr Vater hingegen reist in Begleitung dreier seiner Kameraden von Nairobi ins englische Militärcamp Ngong.
Zwischenzeitlich begleitet der Leser erneut Greschek im finsteren Nazideutschland auf einer beklemmenden Zugfahrt nach Breslau. Während der Reise lernt Greschek eine überaus sympathische Frau kennenlernt, der er jedoch nicht zu trauen wagt. Man traut im Nazideutschland niemandem mehr.
Schließlich endet der Roman mit der Abfahrt des Zuges von Nairobi, als die Redlichs zurück nach Deutschland aufbrechen und Kenia hinter sich lassen.

In die Zugabteile hinein und auf die Bahnsteige projiziert die Autorin die jeweiligen regionalen und politischen Umstände:
Die Furcht etwa, die Deutsche jüdischen Glaubens erleben müssen, manifestiert sich in liegen gelassenen Zeitungen und den Auftritten mitfühlender oder missgünstiger Mitreisender. Afrika erlebt man über das freundliche, farbige Zugpersonal. Über Bettler auf den Bahnsteigen. Oder über Affenhorden am Rande der Gleisstrecken.
Die Konzentration auf Zugfahrten verleiht der Geschichte darüber hinaus etwas Rastloses, Vorübergehendes, das sich letztlich widerspiegelt im Titel des Romans: Tatsächlich bleibt den Redlichs letzten Endes eben „nur die Liebe“.

Nur die Liebe bleibt – Eindruck

Zu den Episoden, die in Afrika spielen, möchte ich angemerken, dass sie inhaltlich ab und zu etwas verloren wirken. Als Beispiel führe ich die Begegnung Reginas mit dem Geistlichen an. In einer flüchtigen Textsequenz schreibt Frau Zweig dem Mann bedrohlich wirkende Eigenschaften zu, die jedoch nicht weiter vertieft werden und die Szene unfertig erscheinen lassen. Das mag daran liegen, dass die Autorin Figuren wie eben den Geistlichen bereits in ihrem ersten Roman breiter angelegt hatte.

Wer die voraus gegangenen Bände gelesen hat, wird sich womöglich an Hintergründe erinnern. Leser, die – so wie ich – mit Nur die Liebe bleibt in die Serie einsteigen, können ihre Andeutungen leider nur schwer einordnen. Bei einer ganzen Reihe von Auftritten habe ich mich gefragt, ob die handelnden Person wohl schon bekannt sein müssten.

Solche Szenen verstärken den Eindruck, der letzte Roman könne als Trittbrettfahrt auf den vorausgegangenen Erfolgen Stefanie Zweigs entstanden sein. Denn auch wenn die Reduzierung der Handlung auf Zugreisen als gelungener literarischer Kunstgriff gelten soll: Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass diese Einschränkung aus der Not geboren sein könnte. Wollte Zweig auf irgendeine Weise etwas Neues, etwas Anderes schaffen?

Mir fehlt insgesamt das Gefühl der Abgeschlossenheit und Eigenständigkeit der Geschichte.

Fazit:

Wer einen oder mehrere der Romanvorgänger kennt und schätzt, wird sicher auch am vierten Band von Stefanie Zweig seine Freude haben. Der Autorin gelingt es ein weiteres Mal, die Gefühle der Flüchtlingsfamilie plastisch zu schildern und die Unvorstellbarkeit der Nazigräuel, die Grausamkeit der Entwurzelung nachvollziehbar zu machen.

Ein äußerst lebendiges Zeitzeugnis für alle, die deutsche Geschichte nachzuvollziehen versuchen! Abgesehen von den genannten Schwächen bietet Nur die Liebe bleibt kurzweiliges Lesevergnügen. Ich möchte dem Roman gerne drei von fünf möglichen Sternen angedeihen lassen.

Ich bedanke mich herzlich bei der Buchhandlung Bollinger für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar

Stefanie Zweig: Nur die Liebe bleibt,
Langen Müller Verlag, 2006

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