„Ein Panorama der chinesischen Geschichte von der Gründung der Volksrepublik bis hin zur Gegenwart. Gelber Kaiser – Ein Roman über machtpolitische Schachzüge, unerbittliche Grausamkeit und über zerborstene Träume.“
So also steht es auf dem Einband des Buches. Und tatsächlich hält der Gelbe Kaiser dieses Versprechen. Am Schicksal der amerikanischen Missionarsfamilie Farlane schildert der Autor Raymond Scofield in seinem ersten Roman chinesische Historie über Generationen hinweg. Beginnend in den Dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts bis hin zu einem fiktiven Finale in der nicht genau datierten Gegenwart. Scofield schafft dabei eine nicht ganz einfach zu verfolgende Kette aus historischen Fakten und erfundenen Lebensgeschichten, die schließlich in einer drastischen Auflösung gipfelt.
Worum es geht
„Operation Gelber Kaiser“ nennt eine Clique chinesischer Generäle den Plan zur Rückeroberung Taiwans. Dieser namensgebende Teil der Handlung ist irgendwann am Ende des zweiten Jahrtausends zu verorten. Um allerdings den Handlungsstrang der Gegenwart plausibel zu machen, holt der Autor weit aus.
In manchmal schwer mitzuvollziehenden Zeitsprüngen zwischen 1931 und dem Heute erzählt er chinesische Geschichte aus dem Blickwinkel dreier Generationen der Familie Farlane. Er beginnt nämlich beim China-Missionar John und schließt mit dessen Enkel Stenton Farlane ab, einem Professor für chinesische Sprache.
Interessant ist der historische Abriss für alle Leser ohne geschichtliche Vorbildung allemal. Wir können uns unbedingt darauf freuen, einen Überblick über die Entwicklung Chinas von der Gründung der Volksrepublik über die Tragik der Kulturrevolution bis in die Moderne vorgesetzt zu bekommen.
Häppchenweise serviert Scofield historische Tatsachen aus dem Blickwinkel der handelnden Personen. Allerdings verhindert dabei die Vermischung von Fakten und Fiktion, von real existierenden und erfundenen Gestalten, dass am Detail Interessierte eine klare Trennung vollziehen könnten. Zur Verwirrung trägt darüber hinaus auch die ansehnliche Sammlung chinesischer Namen bei. Diese sind nämlich besonders für westliche Namensgedächtnisse nicht einfach auseinander zu halten. Nicht einmal ein Personenregister auf den ersten Seiten des Buches kann Verwechslungen und Orientierungsschwierigkeiten des Lesers immer verhindern.
Doch über seine Bemühungen, der Handlung zu folgen, sollte sich der Leser auf keinen Fall die Leckerbissen entgehen lassen, die Scofield in seinen Roman einstreut. So kristallisiert sich zum Beispiel im Laufe der Geschichte ein durchweg negatives Urteil über die historische Rolle Mao Zedongs heraus. Es lohnt sich übrigens, sich die Entwicklung der einzelnen Personen aus dem Namensregister einzuprägen. Denn gegen Ende des Werkes verknüpft der Autor bis dahin zusammenhangslose Handlungsstränge. Er löst dabei die Geschichte auf den allerletzten Seiten in einem überraschenden Finale auf. Da verzeiht man ihm sogar den relativ unwahrscheinlichen politischen Plot der Gegenwart.
Fazit:
Gelber Kaiser ist ein mehr als passables, fesselndes Lesevergnügen vor allem für Freunde groß angelegter Historienschmöker. Ich habe deshalb lange mit mir gerungen, ob ich statt der vier nicht doch alle fünf möglichen Sterne vergeben hätte sollen.
[Nachtrag am 31.10.2022:] Insbesondere angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und weltpolitischen Entwicklung Chinas kann ich diesen 25 Jahre alten Roman ganz besonders empfehlen. Allein schon um sich vor Augen zu halten, woher dieser Staat mit der weltweit höchsten Bevölkerungszahl (2021: über 1,4 Milliarden) und dem inzwischen – nämlich seit zwölf Jahren – zweithöchsten Bruttoinlandsprodukt (2021: 17,7 Billionen US$) gleich nach den USA gekommen ist.
Raymond A. Scofield: Gelber Kaiser
Lichtenberg Verlag, 1997
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