Im Juli vor zwanzig Jahren gelangte die dritte Romanfolge um den englischen Jungzauberer in den Verkauf. Harry Potter und der Gefangene von Askaban startete in Großbritannien mit einer Auflage von knapp einer Viertelmillion. Die deutsche Übersetzung erschien bereits einen Monat später, landete allerdings erst nach drei Jahren auf dem Spitzenplatz der Bestsellerlisten. Der Harry-Potter-Hype sollte sich hierzulande erst mit dem neuen Jahrtausend richtig entfalten. Doch auch in seinem Mutterland startete Harry Potter erst im Jahr 2000 mit Vollgas durch: Vom Folgeband vier, Harry Potter und der Feuerkelch, verkauften sich allein schon am Erscheinungstag mehr Bücher, als die gesamte Startauflage des Gefangenen von Askaban betrug.
Auch hinsichtlich des Textumfangs legte sich Joanne K. Rowling erst mit Band vier rasant ins Zeug. Waren die drei ersten (englischen) Potter-Romane mit 223, 251 und 317 Seiten noch verhältnismäßig schlank, folgten die Bände vier mit 636, fünf mit 766 sowie sechs und sieben mit jeweils 607 Buchseiten; also stets mit gut dem doppelten Umfang. Der Grund dafür ist leicht zu erkennen. Denn waren die drei ersten Romane noch echte Kinderbücher mit stets gleichem Ablaufschema, so begann die Autorin mit Band vier, die Geschichte zielstrebig auf ein stimmiges Ende hin zu entwickeln.
Worum geht es beim Gefangenen von Askaban?
Die Zaubererwelt ist alarmiert! Ein gewisser Sirius Black ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und scheint sich auf Harry Potters Fersen zu heften. Dieser Black war über zehn Jahre in Askaban eingesessen, weil er einst die Familie Potter an den dunklen Lord Voldemort verraten hatte, so heißt es. Es ist also zu befürchten, dass er nun einen Schlusspunkt setzen und mit Harry den Letzten der Potters umbringen will.
Um dies zu verhindern, lässt das Zaubereiministerium das Schulgelände von Hogwarts von Dementoren bewachen. Das sind schauderhafte Schattenwesen, die alle Menschen – ob Magier oder Muggel – allein durch ihre Anwesenheit in tiefste Verzweiflung versetzen.
Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gelingt es Sirius Black zuletzt, Harry, Hermine und Ron in seine Gewalt zu bringen. Doch dann kommt alles doch ganz anders als befürchtet. Mehr mag ich hier nicht verraten. Aber wer es dennoch genauer wissen möchte, kann das Ende der Geschichte im Spoiler nachlesen:
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Die Geschichte von Moony, Krone, Tatze und Wurmschwanz
Weil Lupin alias „Moony“ ein Werwolf war, verwandelten sich seine Schulfreunde James alias „Krone“ und Sirius alias „Tatze“ in Tiergestalt, um dem Freund in seinen schweren Vollmondstunden beistehen zu können, ohne selbst dabei Schaden zu nehmen. Ein vierter Freund war damals ebenfalls in Tiergestalt dabei, nämlich ein gewisser Peter Pettigrew, „Wurmschwanz“, in Gestalt einer Ratte. Niemand wusste davon, dass James Potter, Remus Lupin, Sirius Black und Pettigrew sich als sogenannte Animagi in Tiere verwandeln konnten; nicht einmal der Schulleiter Dumbledore.
Doch als sich dann Jahre später der dunkle Lord Voldemort auf die Fährte der Potters setzte, wurde James von einem seiner Freunde verraten. Damals hieß es, Black habe seinen Schulfreund an den bösen Zauberer ausgeliefert und erst den Mord an James und Lily Potter ermöglicht. Dafür hatte Sirius Black zwölf Jahre im Zauberergefängnis Askaban abgesessen, bevor es ihm schließlich gelang, auszubrechen und in Hogwarts einzudringen.
Allerdings wurden die Potters damals gar nicht von Black sondern von Pettigrew verraten. Dieser hatte danach seinen eigenen Tod vorgetäuscht und den Freund Black so ans Messer geliefert. Dies hatte nun Sirius Black herausgefunden und kam nach Hogwarts, um den Verräter Pettigrew zu entlarven.
In der unbewohnten Hütte zwingen Lupin und Black den falschen Freund Peter zum Geständnis. Ja, denn auch Pettigrew ist anwesend. Und zwar in Gestalt der Ratte Krätze, die Ron seit Jahren als Haustier begleitet hatte. Krätze wird gezwungen, sich in die menschliche Gestalt Peter Pettigrews zurückzuverwandeln und zu gestehen.
Die Flucht des Verräters
Ausgerechnet als nun Pettigrew abgeführt werden sollte, um an der Schule seiner Strafe entgegen zu sehen und den unschuldigen Sirius Black zu entlasten, verwandelt sich Lupin wieder mal in einen Werwolf. Im Getümmel gelingt es Pettigrew, sich erneut in Rattengestalt zu verwandeln und zu fliehen.
Derweil nähern sich die schrecklichen Dementoren und bedrohen die Leben von Hermine, Harry und Sirius. Im allerletzten Augenblick werden die drei durch einen mächtigen Zauber in Gestalt eines silbernen Hirsches vor dem sicher scheinenden Tod gerettet. Harry ist überzeugt davon, dass diesen Hirsch sein womöglich doch nicht verstorbener Vater herauf beschworen hat.
Doch alles nützt nichts: Da Sirius Black nun nicht mehr durch ein Geständnis des wahren Verräters entlastet werden kann, erwartet ihn ein grausamer Tod durch den Kuss eines Dementoren, einer üblen Hinrichtungsmethode der Zaubererwelt.
Rettung im zweiten Anlauf
Doch der Schulleiter Dumbledore erkennt die wahren Hintergründe und schickt Hermine und Harry auf Zeitreise, drei Stunden in die Vergangenheit. Dabei sieht sich Harry selbst – also sein zweites Ich – am Rande des Todes im Klammergriff der Dementoren und schickt den silbernen Hirsch zur Rettung von Hermine, Sirius und seiner selbst. Es war also nicht sein Vater sondern er selbst, der den mächtigen Schutzzauber ausspricht.
Außerdem gelingte Harry und Hermine, auch Sirius Black noch rechtzeitig aus der Gefangenschaft zu befreien und ihm die Flucht zu ermöglichen. Auf den letzten Drücker kehren die beiden wieder in die Gegenwart und zu einem Happy End zurück.
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Einordnung & Bewertung
Im ersten Romanband, Harry Potter und der Stein der Weisen, präsentierte Frau Rowling der staunenden Leserschaft die Geschichte eines Jungen, der an seinem elften Geburtstag erfährt, dass er Zauberkräfte besitzt und auf eine Schule für Hexen und Magier gehen soll. Wir werden mit der Welt der Zauberer konfrontiert und lernen mit Harry Potter Schritt für Schritt, was die Welt von uns normalsterblichen Muggel von denen der magischen Gemeinschaft unterscheidet. Und wir erleben einen ersten Versuch des geschwächten Lord Voldemort, zurück an die Macht zu gelangen.
Die zweite Romanfolge, Harry Potter und die Kammer des Schreckens, bringt uns mehr Wissenswertes über die Zauberergemeinschaft. Einerseits gibt es da dünkelhafte dunkle Magier, die die Reinheit des magischen Blutes über alles andere stellen und Muggelstämmige als Schlammblüter beschimpfen. Auf der anderen Seite stehen die Weltoffenen, für die Hexen und Zauberer nicht an der Reinheit ihres Blutes sondern an ihren magischen Fähigkeiten gemessen werden.
Im dritten Anlauf erfahren wir nun Erstaunliches über die Familie Harry Potters; über die Freunde um James, Harrys Vater; die Feindschaft mit Severus Snape. Über die Hintergründe, die zum Mord an Harrys Eltern führten. Und die Tatsache, dass Harry seit diesem Mord einen Paten hat, den seine Eltern für ihn ausgewählt hatten.
Überraschung!
Tatsächlich ist es der Autorin gelungen, den beiden außerordentlichen Einstiegsbänden eine dritte Folge nachzuschieben, die den ersten beiden in Nichts nachsteht. Der Gefangene von Askaban ist mindestens so spannend wie seine Vorgänger. Das überraschende Element der Rettung im zweiten Anlauf, mit dem die Geschichte endet und das oben im Spoiler erzählt wird, setzt dem Fass noch die Krone auf. Für meine Kinder und für mich war und ist der dritte Roman der Serie der beste. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass er noch nicht ganz so düster daherkommt wie die folgenden vier Bände.
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Hat Dir diese Buchbesprechung gefallen? Dann interessierst Du Dich vielleicht auch für meine Rezensionen zu den anderen sechs Harry-Potter-Romanen? Du findest sie auf meiner Autorenseite über Joanne K. Rowling.
Fazit:
Harry Potter und der Gefangene von Askaban ist womöglich der beste der sieben Romanbände Joanne K. Rowlings, die sich um den Nachwuchszauberer Harry und seine Freunde drehen. Doch Interessierte sollten dennoch nicht auf die Idee verfallen, die Lektüre mit dieser dritten Folge zu beginnen. Denn auch wenn die Autorin erneut vieles von dem wiederholt, was zum Verständnis unabdingbar ist, so kommt die Leserschaft trotzdem nur dann in den vollen Genuss der Erzählung, wenn sie bereits die beiden Vorgängerbände gelesen hat.
Für ihre erstaunliche Ideenvielfalt und für ihren rasanten Erzählstil bekommt Frau Rowling für die Askaban-Geschichte satte vier von fünf möglichen Sternen. Die vollen fünf hat sie wirklich nur knapp verfehlt.
Joanne K. Rowling: Harry Potter and the Prisoner of Askaban
| Harry Potter und der Gefangene von Askaban
🇬🇧 Bloomsbury Publishing, 1999
🇩🇪 Carlsen Verlag, 1999
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