Heute feiern wir einen runden Geburtstag. Harry Potter, Sohn von Lily und James, Patensohn von Sirius Black und wichtigster Widersacher des dunklen Lord Voldemort wird nämlich dreißig. Vielleicht erinnert sich Harry heute daran, was achtzehn Jahre zuvor geschah? Die Fans des berühmtesten Zauberlehrlings seit Goethes Ballade aus dem Jahr 1797 wissen es bestimmt noch. Denn auf den ersten Seiten des zweiten Romanbandes Harry Potter und die Kammer des Schreckens wird der zwölfte Geburtstag des Jungen folgendermaßen beschrieben:
Traditionsgemäß ignorieren Harrys Onkel Vernon und Tante Petunia den Geburtstag ihres Neffen. Doch wegen unerwarteten Besuchs durch einen Hauselfen namens Dobby, der Harry dessen Rückkehr an die Zaubererschule Hogwarts ausreden will, endet noch am gleichen Abend ein wichtiges Geschäftsessen von Onkel Vernon in einer grandiosen Katastrophe. Harry wird zur Strafe eingesperrt. Erst sein Freund Ron und dessen Brüder befreien den Jungen mit Hilfe eines fliegenden Autos aus der Isolationshaft am Ligusterweg.
Wie geht es weiter?
Einen solchen Geburtstag vergisst man gewiss sein Leben lang nicht. Auch wenn er nur den Auftakt zu einem turbulenten zweiten Schuljahr Harrys bildete. Ein Zauber am Bahnhof King’s Cross verhindert, dass Ron und sein bester Freund an Gleis 9¾ den Hogwarts-Express erreichen. Die beiden beschließen, sich das fliegende Auto von Rons Vater zu borgen, um dem verpassten Zug zu folgen. Natürlich endet diese alternative Anreise im Chaos, die Jungs schrammen nur knapp am Schulverweis vorbei.
Auch folgen erwartungsgemäß weiterer Stress mit Harrys Erzfeinden an der Schule, Draco Malfoy und Professor Snape. Wirklich problematisch jedoch entwickelt sich das Jahr für Harry erst, als bekannt wird, dass er – wie einst der Gründer des Schulhauses Slytherine – die Sprache der Schlangen beherrscht, und als kurz darauf mehrere Schüler versteinert werden. Der unbekannte Übeltäter bezeichnet sich in Bekennerschreiben selbst als den „Erben Slytherines“ und Schlangenzunge Harry wird deshalb verdächtigt, seine Mitschüler angegriffen zu haben. Zudem vernimmt er immer wieder zischende Stimmen, die seine Freunde Ron und Hermine nicht hören können.
Als schließlich Rons Schwester Ginny von diesem Erben entführt wird, kommt es zum Showdown. Mehr mag ich hier nicht verraten. Wer unbedingt weitere Details wissen will, kann solche im Spoiler nachlesen.
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Das riesige Schlangenmonster ist ein sogenannter Basilisk, der nicht nur über spitze Giftzähne verfügt, sondern darüber hinaus auch durch den bloßen Blick seiner Augen töten kann. Harry steigt hinab in die Tiefe unter dem Schloss, wo er Tom Riddle, die leblose Ginny und den Basilisken aufspürt.
Kampf der magischen Reliquien
Mit zwei Helfern, die ihm Professor Dumbledore zur Unterstützung nachschickt, gelingt es Harry Potter, aus der ausweglos scheinenden Situation zu entkommen: Da ist zum Ersten der Feuervogel Fawkes, der dem Basilisken die Augen aushackt, so dass dessen tödlicher Blick Harry nichts anhaben kann. Und zum Zweiten erscheint das Schwert von Godric Gryffindor, das der Held dem Monster in den Rachen rammt und dadurch tötet.
Als daraufhin der tobende Riddle selbst Harry mit einem Todesfluch umbringen will, stößt Potter einen abgebrochenen Giftzahn des Basilisken in das alte Tagebuch, das alles Übel erst ausgelöst hatte. Der Zahn bricht den Zauber des Tagebuches, Tom Riddle löst sich in Rauch auf und Ginny kehrt zurück unter die Lebenden.
Lord Voldemorts Seele
Wem sie da entronnen sind, erfährt Harry erst im Nachgang: Tom Vorlost Riddle war einst Vorzeigeschüler an Hogwarts. Durch Vertauschen der Buchstaben seines Namens ergibt sich der Halbsatz „… ist Lord Voldemort“. Wie wir gegen Ende der Romanserie erfahren, war das Tagebuch einer der berüchtigten sieben Horkruxe, in denen der finstere Lord Voldemort vor langer Zeit jeweils ein Achtel seiner Seele versteckt hatte, um so unsterblich zu werden. Riddles Tagebuch ist also der erste Horkrux, den Harry zerstört. Wäre dies nicht gelungen, so wäre Voldemort bereits am Ende des zweiten Bandes zurückgekehrt.
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Über die Magie der Geschichte
Wie gesagt, es handelt sich hier um den zweiten Band der siebenteiligen Romanserie Joanne Rowlings. Im ersten Buch, Harry Potter und der Stein der Weisen, tauchten wir ein in die bis dahin unbekannte Welt der Zauberei und Magie: Anfangs weiß selbst der Held nicht mehr als die Leser¦innen. Und plötzlich steckt er in einer Schule für angehende Zauberer, lernt Besenfliegen und Zaubersprüche, findet Freunde und macht sich Feinde.
Die zweite Folge der Geschichte lehrt Harry und auch uns so einiges mehr über die Hintergründe dieser Zaubererwelt. Insbesondere die Rassentheorie, die sich als Ursprung allen Zwists zwischen Magiern erweist, vertieft die Autorin in diesem Band. Wir erfahren, dass sich viele Zaubererfamilien, die über Jahrhunderte ihr reines magisches Blut bewahrt haben, für besser halten als „Halbblüter“, deren Eltern halb Zauberer, halb Muggel sind. Oder gar als „Schlammblüter“, die aus reinen Muggelfamilien stammen, aber dennoch eine magische Begabung haben.
Planungsgenie
Bereits diesem zweiten Teil merkt man an, wie konsequent und folgerichtig die Autorin die gesamte Geschichte geplant hat. Denn die Rassentheorie, deren böse Seite Voldemort verkörpert, wird noch eine gewichtige Rolle spielen. Und auch das zunächst unscheinbar wirkende Tagebuch des Schwarzmagiers wird sich als Teil einer gut ausgedachten Begründung für das unerklärliche Überleben Harry Potters im Angesicht seines verhinderten Mörders Voldemort entpuppen, das der gesamten Geschichte vorausgeht und zugrundeliegt.
Bewertung
Man könnte der Autorin womöglich vorhalten, der zweite Teil der Potterserie sei nichts anderes als eine Kopie des ersten Bandes: Jungzauberer entkommt seiner üblen, nicht-magischen Verwandtschaft, blüht an der Hexereischule auf und wehrt sich dort erfolgreich gegen seinen bösartigen Verfolger, der ihm jedes Mal nach dem Leben trachtet und doch wieder scheitert. In der Tat, in Hinblick auf die Rahmenhandlung, wirkt die Kammer des Schreckens wie eine Variation des Steins der Weisen.
Da liegt natürlich die Befürchtung nahe, die Romanserie könnte sich als Dauerschleife eines immer gleichen Plots entpuppen. Doch im dritten Teil, mit dem Gefangenen von Askaban, beweist Joanne Rowling, dass diese Befürchtung nicht eintritt. Das bereits angesprochene Planungsgenie der Autorin verhindert, dass die Serie zu einer Folge von Groschenromanen verkommt.
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Hat Dir diese Buchbesprechung gefallen? Dann interessierst Du Dich vielleicht auch für meine Rezensionen zu den anderen sechs Harry-Potter-Romanen? Du findest sie auf meiner Autorenseite über Joanne K. Rowling.
Fazit:
Die beiden ersten Bände der Harry-Potter-Serie waren vor dem Jahrtausendwechsel noch nicht die Verkaufsschlager, zu der sich die Romanserie nur wenige Jahre später entwickeln sollte. Wahrscheinlich hat auch jeder Fan der zauberhaften Geschichten Frau Rowlings seine eigenen Lieblingsfolgen. Aus meiner Sicht bietet Harry Potter und die Kammer des Schreckens solide Unterhaltung, packende Spannung und darüber hinaus einige wichtige Details, die sich allerdings erst in den Nachfolgebänden als geschichtstragend erweisen.
Deshalb bekommt die Schreckenskammer von mir auch grundsolide drei von fünf möglichen Bewertungssternen verliehen.
Joanne K. Rowling: Harry Potter and the Chamber of Secrets
| Harry Potter und die Kammer des Schreckens
🇬🇧 Bloomsbury Publishing, 1998
🇩🇪 Carlsen Verlag, 1999
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