Joanne K. Rowling (59) wurde im englischen Städtchen Yate, in der Nähe von Bristol, geboren. Am 26. Juni 1997, also vor genau einem Vierteljahrhundert wurde ihr erster Roman, Harry Potter and the Philosopher’s Stone, in einer Erstauflage von 500 Stück veröffentlicht. In den folgenden Jahren baute die Autorin ihre Serie um den Jungzauberer Harry Potter auf insgesamt sieben Bände aus. Zehn Jahre nach Band 1 wurde die letzte Romanfolge in einer Erstauflage von 12 Millionen gedruckt. 90 Prozent davon verkauften sich bereits am Erscheinungstag. Es folgten Verfilmungen, ein Theaterstück, Themenparks, Video- und Brettspiele. Sogar als Legofigur existiert Harry Potter mittlerweile. Seine geistige Mutter hat der Junge längst zur Milliardärin gemacht. Heute lebt die Schriftstellerin mit ihrem Mann Neil, zwei Töchtern und einem Sohn in Schottland.
Die Harry-Potter-Romanserie
- Harry Potter and the Philosopher’s Stone (1997) | Harry Potter und der Stein der Weisen (1998)
- Harry Potter and the Chamber of Secrets (1998) | Harry Potter und die Kammer des Schreckens (1999)
- Harry Potter and the Prisoner of Azkaban (1999) | Harry Potter und der Gefangene von Askaban (1999)
- Harry Potter and the Goblet of Fire (2000) | Harry Potter und der Feuerkelch (2000)
- Harry Potter and the Order of the Phoenix (2003) | Harry Potter und der Orden des Phönix (2003)
- Harry Potter and the Half-Blood Prince (2005) | Harry Potter und der Halbblutprinz (2005)
- Harry Potter and the Deathly Hallows (2007) | Harry Potter und die Heiligtümer des Todes (2007)
Fünf Jahre nach Abschluss der Potter-Serie veröffentlichte die Autorin eine Art Anschlussroman, der allerdings mit Zauberei nichts zu tun hatte: The Casual Vacancy (2012) | Ein plötzlicher Todesfall (2012)
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Entstehung und Mythos
Über die Entstehung der Romanserie erzählt man sich längst unzählige Anekdoten. Die Idee dazu habe die Autorin im Jahr 1990 während einer Bahnfahrt von Manchester nach London gehabt. (Dies bestätigte Frau Rowling im Nachhinein.) In Edinburgh habe sie dann ihre Texte in Cafés niedergeschrieben, weil ihre Wohnung zu klamm gewesen sei. Als Schreibmaterial hätten ihr dabei auch Servietten gedient, weil sie sich Notizbücher nicht habe leisten können. (Diese beiden Legenden sind allerdings nicht belegt.)
Tatsache aber ist, dass Joanne Rowling ihre Romanserie mit einer erstaunlichen Weitsicht geplant und angelegt hat. Und bei der nachfolgenden Vermarktung des Potter-Mythos hat sie größtes Geschick¹ bewiesen und so ein literarisches Imperium geschaffen, das Seinesgleichen sucht. Den riesigen Erfolg aber verdankt sie wahrscheinlich auch der öffentlichen Diskussion über den vermuteten Fortgang ihrer Geschichten. In unzähligen Internetforen wurde in den Nullerjahren jede neue Romanfolge auseinandergenommen und diskutiert. Ich vermute auch, dass die Autorin sich in solchen Fangemeinschaften durchaus Anregung geholt hat.
Erfolg und Schatten
Unbestreitbar ist, dass die Heptalogie um Harry Potter mit dem Jahrtausendwechsel zu einem gigantischen Erfolg wurde. Spätestens als der US-Verlag Scholastic zu einem damals unvorstellbaren, sechsstelligen Einstiegspreis die Rechte für dem amerikanischen Markt einkaufte, rollte die Vermarktungsmaschinerie. Auch ich selbst stieg mit meinen Kindern – damals im richtigen Alter um die zehn – in die Lektüre ein. Wir wurden echte Potterheads und fieberten jeder neuen Romanfolge entgegen.
Wir haben übrigens eine klare Meinung dazu, was den Erfolg der Geschichte ausmachte: eine ausgeklügelte Story, einfache Sätze, keine langatmigen Einschübe, die die Spannung unterbrochen hätten. Im Endeffekt waren nämlich (fast) alle sieben Romane lupenreine Pageturner; wir konnten einfach keine Buchseite zu Ende lesen, ohne nach der nächsten Seite zu lechzen.
Kontroversen
Lange nach dem Abschluss der Romanserie sorgte Joanne Rowling zuletzt auf einem Nebenkriegsschauplatz für Furore. Auf ihrem Twitteraccount ergriff sie im Jahr 2019 Partei für eine gewisse Maya Forstater und stellte sich damit in der Transgenderdebatte gegen die Befürworter der Bewegung. Danach geschah Erstaunliches:
Natürlich bekam Rowling die ganze Härte der Social Communities zu spüren, die volle Breitseite auf Twitter. Allerdings schwappte die Kritik an der persönlichen Meinung einer Autorin auch auf deren Romanserie über. Die Personalaufstellung dieser Romane sei – zwanzig Jahre nach deren Veröffentlichung – nicht zeitgemäß, viel zu hetero-weiß-cis. Es kam sogar vereinzelt zu Bücherverbrennungen von Harry-Potter-Romanen, etwa auf der Videoplattform TicToc.
Darf man Harry Potter noch mögen?
Nun, nicht nur ich befürchte, dass nach heutigen Maßstäben sehr viele literarische Meisterwerke der Vergangenheit inzwischen im Giftschrank der Literaturarchive landen würden. Das gilt nicht nur für klassische Märchen, für Tom Sawyer und Pippi Langstrumpf, für Jim Knopf, um nur ein paar Beispiele aus der Kinderliteratur zu nennen. Literatur- und Sprachwächter reagieren wohl immer dann besonders kritisch, wenn Texte mit einer „Moral von der Geschicht'“ aufwarten.
Auch im Fall der Potterromane ist dies der Fall. (Man denke nur an eine der zentralen Aussagen der Serie: Ohne Unterstützung durch Freunde ist der Einzelne nur einen Bruchteil seiner selbst wert.) Aber Literatur ist und bleibt doch immer auch ein Spiegel der Zeit, in der sie entstanden ist. Nachträglich daran herumzuschrauben, ist aus meiner Sicht keine sinnvolle Option sondern Geschichtsklitterung.
Was nun die transphoben Äußerungen der Autorin angeht, muss jede(r) für sich selbst entscheiden. Mit den Romangeschichten haben diese nichts zu tun. Im Vergleich denke ich dabei zum Beispiel auch an Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber Günter Grass. Oder an Bezichtigungen gegenüber Uwe Tellkamp hinsichtlich einer rechtspopulistischen Grundeinstellung. Was auch immer Grass oder Tellkamp von sich gegeben haben: Den Wert von etwa Die Blechtrommel oder Der Turm schmälern selbst fragwürdige persönliche Moralvorstellungen meines Erachtens gerade im Nachhinein nicht. Gleiches gilt auch für Rowlings Harry Potter.
Ich lese Werke auch umstrittener Autoren nach wie vor gerne. Weil sich die Literatur längst von ihren Urhebern losgelöst und emanzipiert hat. Aber das muss natürlich nicht jede(r) so sehen.
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Fußnote:
¹ — Als ein Beispiel für dieses Geschick mag die Mittelinitiale herhalten, die Joanne Rowling nachträglich in ihren Namen einfügte, um auch auf dem US-amerikanischen Markt erfolgreicher sein zu können. Das K. stehe für Kathleen, den Vornamen ihrer Großmutter.