Backflash Zufallsrezension: Jeden Sonntag eine neu & zufällig ausgewählte Buchbesprechung aus der Vergangenheit — Gute Bücher altern nicht!
Auf der Su­che nach Lese­stoff? Hier fin­dest Du Buch­be­spre­chun­gen mit An­spruch aber oh­ne Al­lü­ren. Ich schrei­be meist über bel­le­tris­ti­sche Ti­tel; über sol­che, die mir ge­fal­len oder auch mal nicht ge­fal­len ha­ben; manch­mal Main­stream, manch­mal ab­seits der aus­ge­tre­te­nen Pfa­de. (Per­sön­li­che Emp­feh­lun­gen und ein paar Wor­te zu die­sem Pro­jekt gibt’s ganz un­ten auf die­ser Sei­te.)

La Noia

Alberto Moravia, La Noia, 1961
Alberto Moravia, 1960

La Noia ist der zwölf­te Ro­man des ita­lie­ni­schen Na­tio­nal­schrift­stel­lers Al­ber­to Mo­ra­via. Da­rin ler­nen wir den frus­trier­ten In­tel­lek­tu­el­len Di­no ken­nen, Sohn aus rei­chem Hau­se und ge­schei­ter­ten Ma­ler. Die­ser Di­no ver­fällt einem jun­gen Mäd­chen, Ce­ci­lia. Aus der Be­kannt­schaft der bei­den ent­wi­ckelt sich eine be­klem­mende Hö­rig­keit, aus der Di­no im­mer wie­der aus­zu­bre­chen ver­sucht. Wie fast al­le Ro­ma­ne Mo­ra­vias er­reg­te auch La Noia Mit­te des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts we­gen sei­ner se­xu­el­len Frei­zü­gig­keit Auf­se­hen. Im Jahr 1961 muss­te sich der Autor we­gen einer Por­no­gra­fie­kla­ge vor Ge­richt ver­ant­wor­ten.

Auch dies­mal scheint das Ro­man­per­so­nal kom­plett aus frü­he­ren Er­zäh­lun­gen Mo­ra­vias ent­sprun­gen zu sein. Da ha­ben wir zum einen eine rei­che Wit­we und ih­ren Sohn, ein Ein­zel­kind. Die bei­den könn­ten oh­ne Fra­ge die chro­no­lo­gi­sche Fort­set­zung aus der Ge­schich­te um Agos­tino bil­den. Zum an­de­ren gleicht das sieb­zehn­jäh­ri­ge Akt­mo­dell Ce­ci­lia der Fi­gur der Adri­ana aus Die Rö­me­rin, zu­min­dest was das Set­ting be­trifft. Ebenso hei­ter, un­be­schwert und lebens­lus­tig wie Adri­ana ist Ceci­lia aller­dings nicht.

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Der Konformist

Alberto Moravia, Der Konformist, 1951
Alberto Moravia, 1951

Zumindest in Ita­li­en gilt Der Konformist als das Meis­ter­werk des frü­he­ren Na­tio­nal­schrift­stel­lers Al­ber­to Mo­ra­via. Da­rin zeich­net der Autor die Bio­gra­fie eines Durch­schnitts­bür­gers, könn­te man sa­gen. Zwar ist sein Mar­cel­lo von klein auf ein mons­trö­ses Ge­schöpf. Doch ge­ra­de des­halb ver­sucht er spä­ter, in der Mas­se der ver­meint­lich nor­ma­len Men­schen auf­zu­ge­hen. Er be­schließt, sich dem Zeit­geist an­zu­schlie­ßen und in der Meu­te der Mit­läu­fer ein will­fäh­ri­ger Die­ner der ita­lie­ni­schen Fa­schis­ten der Drei­ßi­ger­jah­re zu wer­den. Der Ro­man ist nun sieb­zig Jah­re alt. Doch er weist er­schre­cken­de Pa­ral­le­len zur heu­ti­gen Zeit auf. In der ge­sam­ten west­li­chen Welt drif­ten „zor­ni­ge Nor­mal­bür­ger“ wie­der in auto­ri­tä­re poli­ti­sche Um­fel­der ab. Ak­tu­el­le Wahl­re­sul­ta­te und Ent­wick­lun­gen in ver­meint­lich ge­fes­tig­ten De­mo­kra­tien sind da­für düs­te­re Zei­chen. Mo­ra­vias ein­dring­li­che Mah­nung hat die­se Ten­denz eben­so we­nig wie all die li­te­ra­ri­schen Ap­pel­le an­de­rer Schrift­stel­ler ver­hin­dern kön­nen.

Im Grunde ist die­ser Mar­cello nichts ande­res als eine Varia­tion oder Wei­ter­ent­wick­lung des Agos­tino, des Pro­tago­nis­ten eines der frü­he­ren Romane Mora­vias: Ein Ein­zel­kind, des­sen psy­chisch schwer kran­ker Vater dem Jun­gen kei­nen Halt bie­tet. Des­sen Mut­ter zu jung ist, um dem Sohn eine Erzie­he­rin sein zu kön­nen. Ein Defor­mier­ter, der dann eben an­ders­wo Orien­tie­rung sucht. Die eigent­li­che Ge­schich­te des Kon­for­mis­ten setzt genau dort ein, wo die des Agos­tino en­det.

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Die Römerin

Alberto Moravia, Die Römerin, 1947
Alberto Moravia, 1947

Nur zwei Jahre nach sei­nem Agos­ti­no ver­öf­fent­licht Al­ber­to Mo­ra­via eine Ro­man­ge­schich­te über Die Römerin, ein sech­zehn­jäh­ri­ges Mäd­chen aus ar­men Ver­hält­nis­sen. Adri­ana lebt mit ih­rer Mut­ter in einer her­un­ter­ge­kom­me­nen Woh­nung in einem Un­ter­schich­ten­vier­tel Roms. Dank ih­rer eben­mä­ßi­gen Schön­heit be­ginnt das Mäd­chen, als Akt­mo­dell für Künst­ler ein we­nig Geld zum ma­ge­ren Haus­halts­ein­kom­men bei­zu­tra­gen. Doch es dau­ert nicht lan­ge, bis Adri­ana von Gi­sel­la, einem der an­de­ren Akt­mo­del­le, in die Pro­sti­tu­tion ge­drängt wird. Er­staun­li­cher­wei­se emp­fin­det die jun­ge Rö­me­rin ih­ren neu­en Be­ruf eher als Be­ru­fung denn als Schmach.

Die gan­ze Ge­schich­te wird aus­nahms­los aus der Per­spek­ti­ve der Ich-Er­zäh­le­rin Adri­ana er­zählt. Von An­fang an war ich et­was skep­tisch. Da schreibt ein Vier­zig­jäh­ri­ger, also einer, den man heu­te als „al­ten wei­ßen Mann“ be­zeich­nen wür­de, aus Sicht eines jun­gen Mäd­chens über de­ren eige­ne Ge­dan­ken und Ge­füh­le. Mo­ra­via sag­te da­zu in einem In­ter­view* nur la­pi­dar: „Ein gu­ter Schrift­stel­ler ist bei­des, ein Mann und eine Frau.“ Ob man einem Best­sel­ler­autor des 21. Jahr­hun­derts ein sol­ches Sta­te­ment oh­ne öf­fent­li­che De­bat­te ab­neh­men wür­de, weiß ich nicht.

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