Mittsommermord

Henning Mankell, Mittsommermord, 2000
Henning Mankell, 2000

Mittsommermord ist der siebte Roman der Krimiserie um den schwedischen Kult-Kommissar Kurt Wallander. Nach der fünften Frau und der falschen Fährte ist dies die dritte Folge hintereinander, in der Wallander hinter einem Serienmörder her ist. Diesmal ist die Jagd noch schwieriger als in den beiden anderen Fällen, da die Opfer des Killers so gar nichts miteinander zu tun haben. Nur einer der Polizeiermittler in Ystad schien einem Verdächtigen nah auf den Fersen gewesen zu sein: Svedberg. Aber der wird ebenfalls zu Beginn der Geschichte ermordet.

Ja, es wird einsam um Wallander. Nach seinem ersten Ermittlungserfolg starb sein Kollege und Vertrauter Rydberg an Krebs. In Band sechs erlag der Vater des Kommissars einem Schlaganfall. Nun wird also noch der Kollege Svedberg getötet. Hinzu kommt, dass Wallanders romantische Gefährtin, Baiba Liepa aus Riga, mit der er seit dem zweiten Roman techtelmechtelte, genug von der Fernbeziehung hat und die Sache beendet.

„Ohne dass einer von ihnen es offen aussprach, wußten sie, daß ihre Beziehung zu Ende ging. Nach vier Jahren gab es keine Wege mehr, die in die Zukunft führten.“ (Seite 31)

(Wer sich für das Personal der Wallanderromane interessiert, findet in meinem Wallander-Kompendium eine Zusammenstellung von wiederkehrenden Namen und Personen.)

Mittsommermord – Über die Handlung

In einem Prolog dürfen wir dem Täter über die Schulter blicken, als er auf einer einsamen Lichtung drei junge Leute ermordet, die dort die Mittsommernacht vom 21. auf den 22. Juni feierten. Gut vierzehn Tage später finden die Polizisten um Wallander ihren toten Kollegen Svedberg in seiner Wohnung – erschossen mit einer Schrotflinte. In einem Geheimversteck des Kollegen entdeckt Wallander zwei Fotografien: ein Bild von feiernden jungen Leute und die Portraitaufnahme einer Frau, die plötzlich dem Phantom einer Freundin Svedbergs Gesicht verleiht.

Die Ermittlungen ziehen sich in die Länge. Eine vierte junge Frau wird ermordet; sie hätte eigentlich ebenfalls am Mittsommerfest teilgenommen, wurde damals allerdings krank. Wieder etwas später ermordet der Serientäter ein Brautpaar und ihren Fotografen bei einer Fotosession am Strand. Doch die Polizei tappt nach wie vor im Dunkeln. Erst als Wallander die ominöse Frau auf Sverbergs Foto auftreibt, kommt Bewegung in den Fall. Es wird klar, dass die Frau ein verkleideter Mann sein muss.

Letztlich kommt es wieder einmal zum einsamen Showdown: Wallander tritt nachts im Mondlicht mit einer Holzlatte in der Hand gegen den Mörder an.

Mittsommermord – Und was passiert sonst noch so?

Natürlich lässt der Autor seinen Protagonisten wieder ausführlich über das Ansteigen der Kriminalität in Schweden klagen. Außerdem ist das gesamte Ermittlerteam auch diesmal wieder schwer überarbeitet. Der Serienmörder verlangt ihnen das Äußerste ab. Einfacher wird es für Wallander auch nicht gerade, als er eine Diabetesdiagnose erhält. Soviel Wasser wie in diesem Band hat der Kommissar bislang noch in keinem der Romane getrunken und gelassen. Es wird viel gepinkelt im Mittsommermord.

Darüber hinaus bringt Thurnberg, der Nachfolger des bewährten Staatsanwaltes Åkesson Unruhe ins Ermittlerteam in Ystad. Zumindest anfangs kritisiert er Wallander offen. Ganz unrecht hat der Mann damit nicht. Denn mehr als einmal verstößt der Kult-Kommissar klar gegen feste Regeln der Polizeiarbeit und gefährdet dabei die Ermittlungen. Aber so ist er eben, unser Wallander. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hält ihn so schnell nichts davon ab.

„Divine Movers“

Im zweiten Romanteil taucht unvermittelt eine Arte Sekte oder Freimaurerloge auf, die ihre Zentrale in den USA hat und den Titel „Divine Movers“ trägt. Die zu Anfang ermordeten jungen Leute bildeten offenbar den schwedischen Ableger der Mystiker. Damit will Mankell die Geheimnistuerei und die Verkleidungsfeste der Gruppe plausibel machen. Doch die Movers bleiben blass und bringen weder die Geschichte noch uns Leser oder gar den Kommissar weiter.

Homosexualität

Bereits zu Beginn der Geschichte wird deutlich, dass der ermordete Kollege Svedberg homosexuell gewesen sein könnte. Dieser Umstand wird im Laufe der Handlung immer klarer, zumindest der Leserschaft. Schließlich bekommt Svedbergs Neigung immer mehr Gewicht und entwickelt sich zu einem zentralen Motiv für seine Ermordung.

Doch in seiner Erzählung windet sich Mankell unverständlicherweise immer ein bisschen um das Thema herum. Und irgendwann präsentiert er dann ein homosexuelles Dreicksverhältnis zwischen Svedberg, einem pensionierten Banker und dem Mörder. Mir ist nicht klar geworden, warum der Autor an dieser Stelle so undeutlich bleibt.

Mittsommermord – Meine Bewertung

Ohne jeden Zweifel ist Henning Mankell mit dem Mittsommermord erneut ein äußerst spannungsgeladener Krimi um Kurt Wallander gelungen. Auch wenn das Vorgehen und die Beweggründe des Mörders bis zuletzt unerklärlich bleiben.

„Früher oder später verkehrt das Glück sich in sein Gegenteil. Das wollte ich ihnen [den Opfern] ersparen. Davon träumte ich“ (Seite 592)

Ein bisschen übertrieben hat es der Autor diesmal mit der längst bekannten Schusseligkeit des Kommissars. Nun gut, Wallander vergisst regelmäßig Notizblock und Stift. Das wissen wir ja. Aber dann – gerade als er noch allen Kollegen eingeschärft hat, stets ihre Waffen bei sich zu haben, denn der Täter sei immens gefährlich! – wird es peinlich.
Wallander legt die eigene Pistole in die Schreibtischschublade seines Büros und lässt das Handy auf dem Tisch liegen, bevor er dann zu Hause dem Mörder in die Arme läuft. Unbewaffnet und ohne Telefon. So kommt es zu einer grotesken Szene, in der der Kommissar vor sein eigenes Wohnhaus flieht, aber weder dem bewaffneten Täter offen entgegen treten noch Kollegen alarmieren kann. Trotzdem verfolgt er den Mann und attackiert ihn schließlich mit einer morschen Holzlatte.
Das ist schon sehr starker Tobak und müsst dem Helden eigentlich statt der Lobeshymnen eine Dienstaufsichtsbeschwerde einbringen.

Datumsdilemma

Doch nicht nur Wallander ist verwirrt. Auch Mankell selbst kommt in Band sieben ein wenig durcheinander. Das erste Romankapitel beginnt mit einem Datumshinweis: „Am Mittwoch, dem 7. August 1996“ (Seite 21). Später wird dann ab und zu auf Ereignisse im Vorgängerband verwiesen, die sich „im Vorjahr“ zutrugen. Tasächlich aber spielt Die fünfte Frau im Herbst 1994. Aber bei all den grässlichen Todesfällen kann man auch als Autor schon mal den Überblick verlieren.

~

Notiz am Rande: Diesen Roman habe ich als gebundene Ausgabe gelesen. Der Zsolnay Verlag hat auch hier wieder die Tradition beibehalten, die Buchumschläge von Wallander-Romanen unter Verwendung von Werken bekannter Maler zu gestalten. Hier handelt es sich um ein Bild aus einer Serie allegorischer Sujets des Briten George Fredric Watts mit dem Titel Hoffnung (1886). Das Original kann man sich in der Tate Gallery in London ansehen.

Wer diese Rezension gern gelesen hat, wird sich vielleicht auch für Buchbesprechungen anderer Wallanderromane interessieren oder meine Themenseite über Kurt Wallander ansehen wollen.

Fazit:

Der Mittsommermord bietet eine sehr spannend angelegte Geschichte. Aber dank einiger Ungereimtheiten und Schwächen zählt er aus meiner Sicht eher nicht zu den besten Romanen um Wallander. An einigen Stellen trägt Mankell einfach zu dick auf und bleibt andererseits in mancher Hinsicht zu vage. Und das eine oder andere Ereignis der Geschichte bleibt ohnehin ohne Erklärung. Die größte Stärke dieses Bandes liegt eher in der Schilderung des Privatlebens des Kommissars.

Ich will dem Mittsommermord aber immerhin drei von fünf möglichen Sternen zugestehen.

Henning Mankell: Mittsommermord,
Paul Zsolnay Verlag, 2000

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