Feuertod

Claudia Magerl, Feuertod
Claudia Magerl, 2010

Nur ein Jahr nach ih­rem Erst­lings­ro­man Bru­der­schwur leg­te Clau­dia Ma­gerl nach mit einer Fort­set­zung mit dem Ti­tel Feuertod. Auch dies­mal geht es wie­der um Mar­cus Agrip­pa, den rö­mi­schen Feld­herrn und Ver­trau­ten von Kai­ser Au­gus­tus. Hat­te der ers­te Teil der Ge­schich­te noch die Zeit des Bür­ger­krie­ges nach Ga­ius Ju­lius Cae­sars Tod zum In­halt, be­schäf­tigt sich der Feuertod mit der rö­mi­schen Blü­te­zeit wäh­rend der Re­gie­rung des Au­gus­tus.

Wir er­in­nern uns: Nach einem ver­nich­ten­den See­sieg ge­gen An­to­nius und Kleo­pa­tra eil­te Au­gus­tus, da­mals noch un­ter dem Na­men Oc­ta­vian, den Flie­hen­den nach, wäh­rend sein Ver­trau­ter auf eige­nen Wunsch nach Rom zu­rück­kehrte, um dort die Amts­ge­schäf­te im Sin­ne des Freun­des zu ord­nen.

Nun, wir al­le wis­sen, dass Anto­nius und Kleo­pa­tra in Alexan­dria Selbst­mord began­gen haben sol­len, um einer Gefan­gen­nahme durch Rom zuvor zu kom­men. Mit die­sem Fina­le ist nun der sieg­rei­che Okta­vian unein­ge­schränk­ter Lieb­ling der Römer und des Senats. Geschickt lässt er sich zunächst ledig­lich zum prin­ceps sena­tus, Ers­ter des Senats, küren. Darü­ber hinaus reißt er aber auch alle wich­ti­gen Funk­tio­nen in Staat und Mili­tär an sich. 27 v. Chr. erhält Okta­vian die Kai­ser­würde und den Ehren­na­men Augus­tus, „der Erha­bene“. Und mit Augus­tus erstürmt auch des­sen Freund und ers­ter Ver­trau­ter Mar­cus Vip­sanius Agrip­pa die Höhen der Macht im Rom der Anti­ke.

Feuertod – Worum geht es?

Feuertod ist ein his­tori­scher Roman, der die Jahr­zehnte bis zur Geburt Christi abdeckt. Es wird daher nie­man­den erstau­nen, dass darin all die Errun­gen­schaf­ten der Regent­schafts­zeit des Augus­tus Erwäh­nung fin­den: staat­li­che, mili­täri­sche und kul­tu­relle. Nach der Bür­ger­kriegs­zeit geht es darum, das Römi­sche Reich zu fes­ti­gen. Darum kümmert sich Agrippa zunächst in den Ost­pro­vin­zen. Spä­ter reist er in den Nor­den, nach Gallien und Ger­ma­nien und von dort wei­ter in den spa­ni­schen Nor­den, wo er jeweils Auf­stän­de nie­der­schlägt. Aber wo auch im­mer Agrippa auf­taucht, stets küm­mert er sich auch um kul­tu­rellen Auf­bau und Ver­bes­se­rung der Lebens­quali­tät in den römi­schen Pro­vin­zen.

So ist er für die Stra­ßen­ver­bin­dung in Gallien vom heu­ti­gen Lyon in alle vier Him­mels­rich­tun­gen ver­ant­wort­lich, er spen­det reich­lich für Bau­pro­jekte in Grie­chen­land und Judäa. Doch auch in Rom wird er zum füh­ren­den Kon­struk­teur bes­se­rer Lebens­bedin­gun­gen. Mit Hilfe einer neuen Was­ser­ver­sor­gung, die noch heute den Trevi-Brun­nen speist, und einer groß ange­leg­ten öffent­li­chen Frei­zeit­zone auf dem ehe­mali­gen Trup­pen­auf­zugs­platz, dem Mars­feld, sorgt Agrippa mit eige­nen finan­ziel­len Mit­teln für eine bis dahin unge­kannte Blüte der Stadt.

Agrippas Privatleben

Aber natür­lich ist Feuertod in ers­ter Linie auch ein Roman. Die Auto­rin schil­dert des­halb aus­führ­lich die per­sön­li­chen Lebens­um­stände des Pro­ta­gonis­ten. Nach einer ers­ten, unglück­li­chen Ehe mit Caeci­lia, der Toch­ter von Agrippas ers­tem Men­tor, gewährt Augus­tus dem Freund die Ehre, sich mit seiner Nichte Mar­cella zu ver­mäh­len. Es fol­gen außer­gewöhn­lich glück­liche Jahre des wahr­haft ver­lieb­ten Paares.

Doch wie wir wissen, ist alles Glück nicht für die Ewig­keit. Als Augus­tus Plan­erbe Mar­cellus ver­stirbt, ändert der Kai­ser seine Pläne und ver­sucht, die Macht sei­nes Clans mit Hilfe von Agrippa zu stär­ken. Er zwingt den Freund, sich von Mar­cella schei­den zu las­sen, um sich sogleich mit Julia, der Toch­ter des Augus­tus ver­hei­raten zu las­sen. Damit glaubt der römi­sche Kai­ser, zwei Flie­gen mit einer Klappe zu schla­gen: Zum einen Agrippa als Nach­fol­ger zu posi­tio­nie­ren, falls er selbst stürbe; und zum ande­ren, seine Julia mit Agrippa Enkel zeu­gen zu las­sen, die die kai­ser­liche Blut­li­nie der­einst fort­füh­ren könn­ten.

Zumindest der Plan um kai­serli­che Enkel geht fürs Erste auf. Obwohl sich Agrippa und Julia gegen­sei­tig nicht aus­ste­hen kön­nen, zeu­gen sie fünf gemein­same Kin­der.

Wie auch in ihrem vier­ten Roman Der Tem­pel des Cas­tor stellt Clau­dia Ma­gerl ihre Pro­tago­nis­ten als Spiel­bälle der Mäch­ti­gen dar. Hier zer­schlägt Kai­ser Augus­tus also eine über­aus glück­liche Ehe aus macht­poli­ti­schen Erwä­gun­gen. Dort stiehlt Kai­ser Nero sei­nem Freund Otho die Ehe­frau aus sexu­eller Gier. Gegen Ent­schei­dun­gen archa­ischer Macht­ha­ber ist eben kein Kraut gewach­sen.

Der Feuertod

Letzt­lich geht Augus­tus‘ Kal­kül nicht auf. Seine bei­den männ­li­chen Enkel ver­lie­ren beide als junge Män­ner ihr Leben. Auch sein Freund und desig­nier­ter Nach­fol­ger Mar­cus Agrippa stirbt uner­war­tet auf dem Rück­weg von einem Balkan­krieg nach Rom. Wenigs­tens im Roman ist Agrippa noch kur­zes Glück beschie­den: Als er im Ster­ben liegt, sieht er noch ein letz­tes Mal seine geliebte Mar­cella wie­der. Augus­tus hatte die Frau aus­gerech­net dort­hin ver­bannt, wo der Tross Agrippas Halt machen muss, weil der Feld­herr dem Tode nahe war.

Während Lebzei­ten war Agrippa immer wieder mit Her­ku­les alias Hera­kles ver­gli­chen wor­den, dem grie­chi­schen Hel­den, der als ein­zi­ger Mensch, so die Sage, in den Olymp der Göt­ter auf­genom­men wurde. Agrippa selbst hatte sich den Her­ku­les als Beschüt­zer erko­ren. Eben die­ser Her­ku­les wurde nach alter Über­liefe­rung von einer sei­ner eifer­süch­tigen Ehe­frauen mit einem tod­brin­genden Hemd aus­gestat­tet. Her­ku­les selbst ließ sich schließ­lich bei leben­di­gem Leib ver­bren­nen, nach­dem er sich mit dem Hemd auch die Haut vom Leibe gezo­gen hatte.

Agrippa litt an chroni­scher Gicht. Wahr­schein­lich starb er letzt­lich an Nie­ren­ver­sagen im Alter von knapp über fünf­zig Jah­ren.

„Wenn ein Gicht­anfall Agrippa packte, wand er sich vor Schmer­zen und schrie nach Erlö­sung. Aber außer Mohn­saft und Essig gab es keine. Deren Anwen­dung war gefähr­lich. Der Mohn­trunk betäubte ihn zwar, nutzte aber nichts gegen die Krank­heit. Nur der Essig ver­schaffte ihm Lin­de­rung. Doch die Umschläge und Bäder mach­ten seine Glieder taub. […] Schlim­mer noch waren die Qua­len, die seine vom Essig ver­ätzte Haut ihm ver­ur­sachte. »Es ist wie Feuer in den Gelen­ken«, stöhnte er, »wie Flam­men in rohem Fleisch.«“
(Seite 368)

Feuertod – Erfolgsrezept

Das herkulische Leiden des Agrippa führt uns erneut zum Erfolgs­re­zept der Auto­rin Clau­dia Ma­gerl. Ich schreibe hier „erneut“, da sie sich im zwei­ten Teil der Geschichte treu geblie­ben ist. Schon zum Bru­der­schwur merkte ich an, wie gut die Roman­hand­lung his­tori­sche Fak­ten über römi­sche Poli­tik und Recht, Archi­tek­tur, gesell­schaft­liche und kul­tu­relle Beson­der­hei­ten ergänzt und unter­mauert.

Im zweiten Teil geht Magerl noch einen Schritt wei­ter. Sie lässt nun auch reli­giöse und phi­loso­phi­sche Betrach­tun­gen ein­flie­ßen. Als Bei­spiel hier­für möchte ich die Freund­schaft Agrippas mit Hero­des, dem dama­ligen Herr­scher in Judäa, anfüh­ren. Die bei­den moch­ten sich nicht nur gegen­sei­tig. Im Roman füh­ren sie auch reli­giöse Grund­satz­dis­kussi­onen in Jeru­sa­lem, die aus heuti­ger Sicht gera­dezu pro­pheti­schen Cha­rak­ter haben. So ant­wor­tet Agrippa auf den Hin­weis der bevor­stehen­den Ankunft des judäi­schen Got­tes:

„Mir geht es doch gar nicht um euren Gott! Den sollt ihr ja behal­ten. Glaubt mir: Sollte eines Tages tat­säch­lich ein Gott kom­men, der es schafft, Frie­den unter allen Men­schen durch­zu­set­zen, wer­den auch wir Römer uns freu­dig beu­gen. Aber vor­erst halte ich mich lie­ber an Tat­sa­chen. Solange euer Mes­sias nicht da ist, müs­sen wir Men­schen den Frie­den schaf­fen. Ob und wann die­ser Mes­sias kommt, ist im Übri­gen ohne­hin frag­lich.“
(Seite 326)

Im Epilog merkt die Auto­rin an, sie habe „in den über 15 Jah­ren Recher­che […] viel über die Römer und ihre Zeit gelernt, über Phi­loso­phie, Archi­tek­tur, Poli­tik und Geschichte, aber auch über ihre Wur­zeln“. Das merkt man den Roma­nen Ma­gerls an, natür­lich auch dem Feuertod.

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Übrigens: Falls Dir diese Buchbesprechung von Feuertod, gefallen hat, interessierst Du Dich vielleicht auch für die anderen Romane der Autorin? Biografische Information und verlinkte Kurzbeschreibungen aller ihrer historischen Erzählungen findest Du im Autorenprofil von Claudia Magerl.

Fazit:

Zum ersten Teil der Geschichte über Mar­cus Agrippa, den Feld­herrn und Wohl­tä­ter Roms und sei­ner Ver­bünde­ten, schrieb ich bereits: „Geschicht­­lich Inte­­res­­sierte dürf­­ten jubeln ange­­sichts der monu­­men­­ta­len Trag­w­eite des Bruder­schwurs.“ Glei­ches gilt auch für den zwei­ten Teil, den Feuertod. Persön­lich gefällt mir Teil zwei sogar noch bes­ser als der erste Roman. Das mag daran lie­gen, dass Clau­dia Magerl aus mei­ner Sicht noch mehr Erfolg damit hat, die Chro­nolo­gie des Lebens des Agrippa mit einer Per­sön­lich­keit zu hin­ter­legen, die die Geschichte nicht nur trägt, son­dern sie auch auf mensch­li­cher Ebene glaub­haft macht.

Ein weit über­durch­schnitt­licher his­tori­scher Roman, der uns über die Geschichts­bü­cher hinaus das Leben in der Keim­zelle Euro­pas plau­si­bel nahe bringt und dem ich dafür sehr gerne vier pralle Sterne der fünf mögli­chen ver­lei­hen möchte.

Claudia Magerl: Feuertod
Südwestbuch Verlag, 2010

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