Nur ein Jahr nach ihrem Erstlingsroman Bruderschwur legte Claudia Magerl nach mit einer Fortsetzung mit dem Titel Feuertod. Auch diesmal geht es wieder um Marcus Agrippa, den römischen Feldherrn und Vertrauten von Kaiser Augustus. Hatte der erste Teil der Geschichte noch die Zeit des Bürgerkrieges nach Gaius Julius Caesars Tod zum Inhalt, beschäftigt sich der Feuertod mit der römischen Blütezeit während der Regierung des Augustus.
Wir erinnern uns: Nach einem vernichtenden Seesieg gegen Antonius und Kleopatra eilte Augustus, damals noch unter dem Namen Octavian, den Fliehenden nach, während sein Vertrauter auf eigenen Wunsch nach Rom zurückkehrte, um dort die Amtsgeschäfte im Sinne des Freundes zu ordnen.
Nun, wir alle wissen, dass Antonius und Kleopatra in Alexandria Selbstmord begangen haben sollen, um einer Gefangennahme durch Rom zuvor zu kommen. Mit diesem Finale ist nun der siegreiche Oktavian uneingeschränkter Liebling der Römer und des Senats. Geschickt lässt er sich zunächst lediglich zum princeps senatus, Erster des Senats, küren. Darüber hinaus reißt er aber auch alle wichtigen Funktionen in Staat und Militär an sich. 27 v. Chr. erhält Oktavian die Kaiserwürde und den Ehrennamen Augustus, „der Erhabene“. Und mit Augustus erstürmt auch dessen Freund und erster Vertrauter Marcus Vipsanius Agrippa die Höhen der Macht im Rom der Antike.
Worum geht es?
Feuertod ist ein historischer Roman, der die Jahrzehnte bis zur Geburt Christi abdeckt. Es wird daher niemanden erstaunen, dass darin all die Errungenschaften der Regentschaftszeit des Augustus Erwähnung finden: staatliche, militärische und kulturelle. Nach der Bürgerkriegszeit geht es darum, das Römische Reich zu festigen. Darum kümmert sich Agrippa zunächst in den Ostprovinzen. Später reist er in den Norden, nach Gallien und Germanien und von dort weiter in den spanischen Norden, wo er jeweils Aufstände niederschlägt. Aber wo auch immer Agrippa auftaucht, stets kümmert er sich auch um kulturellen Aufbau und Verbesserung der Lebensqualität in den römischen Provinzen.
So ist er für die Straßenverbindung in Gallien vom heutigen Lyon in alle vier Himmelsrichtungen verantwortlich, er spendet reichlich für Bauprojekte in Griechenland und Judäa. Doch auch in Rom wird er zum führenden Konstrukteur besserer Lebensbedingungen. Mit Hilfe einer neuen Wasserversorgung, die noch heute den Trevi-Brunnen speist, und einer groß angelegten öffentlichen Freizeitzone auf dem ehemaligen Truppenaufzugsplatz, dem Marsfeld, sorgt Agrippa mit eigenen finanziellen Mitteln für eine bis dahin ungekannte Blüte der Stadt.
Agrippas Privatleben
Aber natürlich ist Feuertod in erster Linie auch ein Roman. Die Autorin schildert deshalb ausführlich die persönlichen Lebensumstände des Protagonisten. Nach einer ersten, unglücklichen Ehe mit Caecilia, der Tochter von Agrippas erstem Mentor, gewährt Augustus dem Freund die Ehre, sich mit seiner Nichte Marcella zu vermählen. Es folgen außergewöhnlich glückliche Jahre des wahrhaft verliebten Paares.
Doch wie wir wissen, ist alles Glück nicht für die Ewigkeit. Als Augustus Planerbe Marcellus verstirbt, ändert der Kaiser seine Pläne und versucht, die Macht seines Clans mit Hilfe von Agrippa zu stärken. Er zwingt den Freund, sich von Marcella scheiden zu lassen, um sich sogleich mit Julia, der Tochter des Augustus verheiraten zu lassen. Damit glaubt der römische Kaiser, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Zum einen Agrippa als Nachfolger zu positionieren, falls er selbst stürbe; und zum anderen, seine Julia mit Agrippa Enkel zeugen zu lassen, die die kaiserliche Blutlinie dereinst fortführen könnten.
Zumindest der Plan um kaiserliche Enkel geht fürs Erste auf. Obwohl sich Agrippa und Julia gegenseitig nicht ausstehen können, zeugen sie fünf gemeinsame Kinder.
Wie auch in ihrem vierten Roman Der Tempel des Castor stellt Claudia Magerl ihre Protagonisten als Spielbälle der Mächtigen dar. Hier zerschlägt Kaiser Augustus also eine überaus glückliche Ehe aus machtpolitischen Erwägungen. Dort stiehlt Kaiser Nero seinem Freund Otho die Ehefrau aus sexueller Gier. Gegen Entscheidungen archaischer Machthaber ist eben kein Kraut gewachsen.
Der Feuertod
Letztlich geht Augustus‘ Kalkül nicht auf. Seine beiden männlichen Enkel verlieren beide als junge Männer ihr Leben. Auch sein Freund und designierter Nachfolger Marcus Agrippa stirbt unerwartet auf dem Rückweg von einem Balkankrieg nach Rom. Wenigstens im Roman ist Agrippa noch kurzes Glück beschieden: Als er im Sterben liegt, sieht er noch ein letztes Mal seine geliebte Marcella wieder. Augustus hatte die Frau ausgerechnet dorthin verbannt, wo der Tross Agrippas Halt machen muss, weil der Feldherr dem Tode nahe war.
Während Lebzeiten war Agrippa immer wieder mit Herkules alias Herakles verglichen worden, dem griechischen Helden, der als einziger Mensch, so die Sage, in den Olymp der Götter aufgenommen wurde. Agrippa selbst hatte sich den Herkules als Beschützer erkoren. Eben dieser Herkules wurde nach alter Überlieferung von einer seiner eifersüchtigen Ehefrauen mit einem todbringenden Hemd ausgestattet. Herkules selbst ließ sich schließlich bei lebendigem Leib verbrennen, nachdem er sich mit dem Hemd auch die Haut vom Leibe gezogen hatte.
Agrippa litt an chronischer Gicht. Wahrscheinlich starb er letztlich an Nierenversagen im Alter von knapp über fünfzig Jahren.
„Wenn ein Gichtanfall Agrippa packte, wand er sich vor Schmerzen und schrie nach Erlösung. Aber außer Mohnsaft und Essig gab es keine. Deren Anwendung war gefährlich. Der Mohntrunk betäubte ihn zwar, nutzte aber nichts gegen die Krankheit. Nur der Essig verschaffte ihm Linderung. Doch die Umschläge und Bäder machten seine Glieder taub. […] Schlimmer noch waren die Qualen, die seine vom Essig verätzte Haut ihm verursachte. »Es ist wie Feuer in den Gelenken«, stöhnte er, »wie Flammen in rohem Fleisch.«“
(Seite 368)
Erfolgsrezept
Das herkulische Leiden des Agrippa führt uns erneut zum Erfolgsrezept der Autorin Claudia Magerl. Ich schreibe hier „erneut“, da sie sich im zweiten Teil der Geschichte treu geblieben ist. Schon zum Bruderschwur merkte ich an, wie gut die Romanhandlung historische Fakten über römische Politik und Recht, Architektur, gesellschaftliche und kulturelle Besonderheiten ergänzt und untermauert.
Im zweiten Teil geht Magerl noch einen Schritt weiter. Sie lässt nun auch religiöse und philosophische Betrachtungen einfließen. Als Beispiel hierfür möchte ich die Freundschaft Agrippas mit Herodes, dem damaligen Herrscher in Judäa, anführen. Die beiden mochten sich nicht nur gegenseitig. Im Roman führen sie auch religiöse Grundsatzdiskussionen in Jerusalem, die aus heutiger Sicht geradezu prophetischen Charakter haben. So antwortet Agrippa auf den Hinweis der bevorstehenden Ankunft des judäischen Gottes:
„Mir geht es doch gar nicht um euren Gott! Den sollt ihr ja behalten. Glaubt mir: Sollte eines Tages tatsächlich ein Gott kommen, der es schafft, Frieden unter allen Menschen durchzusetzen, werden auch wir Römer uns freudig beugen. Aber vorerst halte ich mich lieber an Tatsachen. Solange euer Messias nicht da ist, müssen wir Menschen den Frieden schaffen. Ob und wann dieser Messias kommt, ist im Übrigen ohnehin fraglich.“
(Seite 326)
Im Epilog merkt die Autorin an, sie habe „in den über 15 Jahren Recherche […] viel über die Römer und ihre Zeit gelernt, über Philosophie, Architektur, Politik und Geschichte, aber auch über ihre Wurzeln“. Das merkt man den Romanen Magerls an, natürlich auch dem Feuertod.
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Übrigens: Falls Dir diese Buchbesprechung von Feuertod, gefallen hat, interessierst Du Dich vielleicht auch für die anderen Romane der Autorin? Biografische Information und verlinkte Kurzbeschreibungen aller ihrer historischen Erzählungen findest Du im Autorenprofil von Claudia Magerl.
Fazit:
Zum ersten Teil der Geschichte über Marcus Agrippa, den Feldherrn und Wohltäter Roms und seiner Verbündeten, schrieb ich bereits: „Geschichtlich Interessierte dürften jubeln angesichts der monumentalen Tragweite des Bruderschwurs.“ Gleiches gilt auch für den zweiten Teil, den Feuertod. Persönlich gefällt mir Teil zwei sogar noch besser als der erste Roman. Das mag daran liegen, dass Claudia Magerl aus meiner Sicht noch mehr Erfolg damit hat, die Chronologie des Lebens des Agrippa mit einer Persönlichkeit zu hinterlegen, die die Geschichte nicht nur trägt, sondern sie auch auf menschlicher Ebene glaubhaft macht.
Ein weit überdurchschnittlicher historischer Roman, der uns über die Geschichtsbücher hinaus das Leben in der Keimzelle Europas plausibel nahe bringt und dem ich dafür sehr gerne vier pralle Sterne der fünf möglichen verleihen möchte.
Claudia Magerl: Feuertod
Südwestbuch Verlag, 2010